In der Woche nach Pfingsten nahm unser Vereinsmitglied Frank Steyer an einem Streckenfluglehrgang in den Alpen teil, der von der DASSU, der Deutschen Alpensegelflugschule Unterwössen e.V. angeboten wurde. Seine Motivation, die ihn bewegte, sich für diesen Lehrgang anzumelden, sowie seine überaus positiven Erfahrungen und Erlebnisse hat er im Folgenden beschrieben:
Was heißt „Streckenflug“ für mich?
Direkt nach der Pilotenausbildung und dem Erhalt der Segelfluglizenz war mir klar, dass ich mit dem Segelflugzeug auf Strecke „gehen“ will. Ganz am Anfang ist es zwar ausreichend spannend und herausfordernd, ganz auf sich alleine gestellt den Gleitwinkelbereich des Heimatflugplatzes zu verlassen und auf der schwäbischen Alb hin- und herzufliegen. Doch schon nach den ersten Ausflügen in diese neue Welt der Streckenfliegerei stellte sich mir die Frage: Was heißt denn nun „Streckenflug“ für mich persönlich?
Ist es wirklich nur das Sammeln von möglichst vielen Streckenflugkilometern, um sich am Abend eines Flugtages zu fragen, ob das nun den persönlichen Rekord darstellte? Ist es ausreichend motivierend für mich, die Routenplanung so zu legen, dass ich eine möglichst große Strecke oder ein möglichst geschwindigkeitsoptimiertes Dreieck fliege?
Als ich mir im Frühjahr 2020 diese Fragen stellte und vor der ICAO-Karte saß, um mögliche Routen zu planen, war mir sofort klar, dass es mir zunächst viel wichtiger ist, geographische Ziele anzufliegen die für mich einen gewissen Reiz darstellten, als Orte anzusteuern, die eine möglichst hohe Kilometer- oder Punktezahl im Onlinecontest versprechen. So war mein erstes wirklich interessantes Ziel der Altmühlsee südlich von Nürnberg. Weitere Ziele wie der Feldberg im Schwarzwald kamen bald dazu - und schließlich auch ein Flug von Dettingen über Biberach und Isny in die Bergwelt der Allgäuer Alpen.
Dort angekommen kreiste ich über dem Immenstädter Horn und über dem Mittag und war schlichtweg fasziniert von der Perspektive, die sich mir in den Alpen aus einem Segelflugzeug bot. Hier stellten sich mir neue Fragen: Wo findet man hier Aufwinde, um von Berg zu Berg fliegen zu können? Auf was muss man besonders achten? Wie lange habe ich Zeit, bevor ich zum Rückflug durch die thermisch schwache Gegend zwischen Isny und dem Donautal aufbrechen muss?
Ich konnte diese Fragen zu dem Zeitpunkt zwar nicht umfassend für mich beantworten, aber der Rückflug an jenem Tag gelang mir ohne Probleme. Mein fliegerisches Interesse an den Bergen war nun noch größer und ich wusste, dass ich dieses Thema vertiefen wollte.
Wieso ein Lehrgang?
Im August 2020 habe ich einige Tage beim Segelflugverein Ausserfern in Reutte verbracht und konnte an mehreren Tagen erfahren, wie es sich anfühlt, in den Bergen zu fliegen.
Erstaunt stellte ich fest, dass die einheimischen Flugzeugführer sehr wohl gegen den Berg kreisen, was man im Hangflug unterhalb des Grates laut Lehrbuch eigentlich nicht tun sollte; diese Technik war an manchen Stellen offensichtlich trotzdem die einzige Möglichkeit, um noch weiter aufsteigen zu können.
Wieder stellten sich mir neue Fragen: Welche Besonderheiten gibt es außerdem im Alpenflug? Wie kann ich schneller Fortschritte im Streckenflug in den Alpen erwerben?
Da kam mir der Streckenfluglehrgang, den die Deutsche Alpensegelflugschule in Unterwössen anbietet, gerade recht und mein Entschluss, dort einen entsprechenden Kurs zu besuchen, war gefasst.
Wie lief der Lehrgang ab?
Der Lehrgang fand an vier aufeinanderfolgenden Tagen statt und die Wettervorhersage hätte geeigneter nicht sein können: Am ersten und dritten Tag waren Regenwetter angekündigt – optimal also für den theoretischen Teil des Lehrgangs; am zweiten und vierten Tag sollte fliegbares Wetter vorherrschen.
Tag 1
Wir waren drei Teilnehmer und wurden von unserem Trainer Jan unterrichtet. Jan gab sich wirklich sehr viel Mühe, jedes seiner den Vortrag begleitenden Bilder selbst zu skizzieren und mit Stift und Papier am Flipchart zu entwickeln. So lernten wir am ersten Tag die grundlegenden Dinge zum thermischen Segelflug in den Alpen kennen. All unsere Fragen wurden mit einem neuen Bild beantwortet und nicht selten dauerte die Antwort auf eine einzige Frage fast eine Stunde. Obwohl ich bereits vorher aus Streckenflugbüchern, wie zum Beispiel „Segeln über den Alpen von Jochen Kalckreuth“, die Theorie kannte, war es doch ungemein interessant, diese von einem äußerst erfahrenen Piloten noch einmal präsentiert zu bekommen. Die Vorfreude, all dies am nächsten Tag über den Gipfeln im Formationsflug erfahren zu dürfen, stieg an wie ein Segelflugzeug im „Hammerbart“.
Tag 2
Bereits um 8:00 Uhr trafen wir uns an den Hängern, um gemeinsam die Segelflugzeuge aufzurüsten und diese an die Startstelle zu verholen.
Punkt 9:00 Uhr versammelten wir uns zunächst noch einmal im Seminarraum, um die Wetterlage, auf der unsere Planung beruhte, zu verifizieren. Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert, und unser Plan vom Vortag sollte heute weitgehend umsetzbar sein. Doch bevor ich im Einsitzer am Flugplatz Unterwössen starten durfte, musste ich noch eine Übung zum Startabbruch im F-Schlepp mit Fluglehrer erfolgreich absolvieren (dies ist gängige Praxis an diesem Flugplatz).
Dann endlich um 12:20 Uhr meldete ich mich per Funk zum F-Schlepp aus meinem mitgebrachten Flugzeug und lies mich wie verabredet zum Rechenberg schleppen.
Am Rechenberg wollte die Luft noch nicht so richtig aufsteigen, so dass ich noch bis zur Hörndlwand am Motorflugzeug hängen blieb. Als ich steigende Luftmasse im Sitzfleisch verspürte, trennte ich die Seilverbindung zur Schleppmaschine und kreiste im turbulenten Aufwind ein, um weiter an Höhe zu gewinnen. Erst jetzt versuchte ich herauszufinden, wo sich unser Trainer Jan, der bereits vor mir gestartet war, aufhält. Ich musste feststellen, dass ich ganz alleine an der Hörndlwand flog und ich nicht nachvollziehen konnte, wo Jan hingeflogen war. Im Funk hörte ich, dass der andere Teilnehmer im F-Schlepp herankam und schon am Rechenberg ausklinkte. Dort gab es jedoch keinen brauchbaren Aufwind und so war ich die ersten 45 Minuten damit beschäftigt, mich an der Hörndlwand zu halten, bis die anderen beiden Flugzeuge wieder an Höhe gewonnen hatten und ebenfalls zur Hörndlwand vorfliegen konnten.
Das gemeinsame Fliegen im Pulk mit insgesamt nur drei Flugzeugen (ASK21; Ventus m; Discus cs) habe ich mir im Vorfeld deutlich einfacher vorgestellt. Im weiteren Verlauf des Tages musste ich noch oft feststellen, dass ich zeitweise nicht mehr wusste, wo sich die anderen befanden. Anfangs war dieses Gefühl in dem mir unbekannten Teil der Berge noch extrem spannend, doch mit fortschreitender Zeit stellte ich fest, dass ich auch sehr gut alleine zurechtkommen würde. Immer öfter gelang es gegen später, dass wir tatsächlich als Formation entlang der Bergketten fliegen konnten. Jan sagte am Abend, dass dies ein schwer zu fliegender Tag war, was vermutlich auch der Grund dafür gewesen ist, dass wir nicht immer beieinander bleiben konnten.
Nachdem ich mich in den Bergen so langsam richtig wohl fühlte, konnte ich den fantastischen Flug in vollen Zügen genießen. Ich aß einen Müsliriegel, nahm einen großen Schluck Wasser aus dem Trinkbeutel und fühlte mich fast schon wie ein Adler, der über seinem Revier kreist.
Es war schlichtweg beeindruckend, mit einem Segelflugzeug lautlos von Gipfel zu Gipfel zu gleiten. Immer wieder konnte ich an beinahe senkrechten Felswänden in der Hangthermik Höhe gewinnen um dann wenige Minuten später plötzlich wieder oberhalb der Bergkämme weiterzufliegen. Der Anblick der schneebedeckten Bergwelt war wirklich ein Genuss und die Videokamera wurde immer wieder eingeschalten.
Mein Blick schweifte von den schneebedeckten Gipfeln ins grüne Tal und dann weiter zu den hohen Bergen des Alpenhauptkammes, dessen Überquerung ich direkt auf die „Löffelliste“ setzte.
Wir flogen unter anderem noch zur Steinplatte, zu den Leoganger Kalkfelsen, vorbei am Hochkönig zum Tennengebirge und dann bis zur Kampspitze.
Auf dem Rückflug wurde das Wetter thermisch schlechter und wir hatten das Tennengebirge verlassen, um uns sicherheitshalber schon einmal zur Außenlandewiese in St. Johann im Pongau vorzuarbeiten, da wir mehr und mehr an Höhe verloren hatten. Dort angekommen, bescherte uns Hoch Gründeck schließlich aber doch noch einen brauchbaren Aufwind und wir konnten den Rückflug aus großer Höhe antreten. Die Wolkendecke war mittlerweile so dicht, dass keine Sonne mehr auf den Boden treffen konnte, dennoch fanden wir am Selbhorn unseren letzten „Bart“, der uns auf 3000 m anhob.
Von hier aus war der 50 km lange Endanflug über unzählige Gipfel nach Unterwössen ein wahrer Genuss und ich meldete mich nach 5:19 Stunden wieder zur Landung auf „Piste 06“.
Tag 3
Auch am dritten Tag hat Jan uns mit seinem Unterricht im Seminarraum begeistert und den wirklich sehr guten Unterricht vom ersten Tag unermüdlich fortgesetzt. Ich freute mich jedoch schon ganz besonders auf den Nachmittag, denn dann wollten wir unsere Flüge analysieren und einen weiteren Flug für den folgenden Tag planen.
Am Computer simulierten wir die Flugverläufe der drei Flugzeuge und konnten den gestrigen Tag erneut durchleben. Vor allem aber konnten wir die theoretischen Grundlagen mit dem Erlebten verknüpfen und alle möglichen Fragen loswerden. Dies war eine wirklich gewinnbringende Phase des Lehrgangs
Mit großer Vorfreude planten wir am Abend auf Grundlage der Wetterentwicklung den Flug des vierten Tages. Diesmal wollten wir wetterbedingt im Flachland starten und dann weiter im Westen in die Alpen einsteigen. Ziele waren die Zugspitze und Innsbruck (evtl. die Ötztaler Alpen).
Tag 4
Nichts geht über eine gute Planung. Beim Wetterbriefing wurde klar, dass unser Vorhaben weitgehend durchführbar sein sollte und wir konnten es kaum erwarten, diesmal etwas früher am Start zu sein.
Eine weitere Erkenntnis aus dem Theorieunterricht bestätigte sich: Bergflieger mögen das Flachland nicht. Tatsächlich hat sich im Flachland unser Trainer mit einem weiteren Teilnehmer in der ASK-21 erst einmal schwer getan, einen Aufwind zu finden. Wir sind dann schon einmal nach Ohlstadt alleine vorgeflogen. Als wir uns dort später wieder trafen, wagten wir gemeinsam den Sprung in die Alpen Richtung Garmisch-Partenkirchen.
Wir flogen entlang des Grates vor und kamen an der Zugspitze allerdings nicht besonders hoch an. Direkt nachdem wir über die Seile der Bergbahn geflogen waren mussten wir einsehen, dass wir bei der vorherrschenden Windrichtung an dieser Seite der Zugspitze keinen Aufwind finden würden. So flogen wir am Eibsee vorbei an die gegenüberliegenden Hügel und kurbelten dort auf angenehmere 2500 m. Schließlich sind wir später doch noch einmal an der Zugspitze vorbeigekommen und konnten dort am Südhang in großen Achten im Hang fliegen. Der Höhengewinn war allerdings nur an einzelnen Stellen berauschend und wir sind leider nicht über den Grat der Zugspitze hinausgekommen. Weiter ging es zum Achensee und entlang des Inntals wieder zum Flugplatz nach Unterwössen. Nach 6:45 Stunden endete dieser ebenfalls sehr beeindruckende Flug. Der Talauswind hatte bereits eingesetzt, so dass ich mit dem Fahrwerk des Discus auf „Piste 24“ aufsetzte.
Am nächsten Tag sollte das Flugzeug wieder in der Halle in Dettingen stehen, also packte ich schnellstmöglich alles zusammen, verabschiedete mich und fuhr direkt nach Hause. Um 23:30 Uhr stellte ich den Hänger in Dettingen ab, schloss die Batterien an das Ladegerät an und fiel zu Hause glücklich und zufrieden in einen tiefen Erholungsschlaf.
Resümee
Dieser Lehrgang hätte wohl nicht gewinnbringender und eindrucksvollerer ablaufen können. Es war eine sehr große Freude alleine im Segelflugzeug über den Gipfeln zu gleiten und zu erleben, dass ich alles, was ich gelernt hatte, auch in der beeindruckenden Bergwelt umsetzen konnte. Das Niveau der Teilnehmer harmonierte sehr gut.
Es war eine ungemeine Erleichterung, dass Jan in seinem Flugzeug in der Nähe war und im Zweifelsfall per Funk erreichbar gewesen wäre.
Einen Flug nicht nur gemeinsam vorzubereiten sondern diesen anschließend auch detailliert zu analysieren fand ich äußerst gewinnbringend. Die modernen Medien sind hier mittlerweile nicht mehr wegzudenken.
Mein fliegerisches Selbstvertrauen wurde gestärkt und meine Lust zum Fliegen in den Bergen wurde erneut angefeuert.
Ich kann jedem interessierten Segelflugpiloten, der sich in den Bergen noch nicht sicher fühlt, diesen Lehrgang uneingeschränkt empfehlen und es würde mich nicht wundern, wenn der ein oder andere Vereinskamerad ebenfalls einmal nach Unterwössen zu einem Streckenfluglehrgang reist. Wenn ich Zeit habe, würde ich auf jeden Fall noch einmal mitkommen.
Außer dem fliegerischen Zugewinn bleibt ein Hochgefühl der Extraklasse mit unglaublich schönen Bildern und Eindrücken, die sich in mein Gedächtnis eingebrannt haben, um von dort bei Gelegenheit ins Bewusstsein hervorzurücken und mir den Alltag zu verschönern.