Nachdem der eigentlich für die Pfingstwoche geplante Fliegerurlaub in der Provence corona-bedingt ins Wasser fallen musste, und grenzüberschreitende Flüge auch noch nicht erlaubt waren, reifte bei Martin Ölkrug und Volker Weber der Plan für einen Wandersegelflug innerhalb der heimischen Landesgrenzen als Alternativprogramm. Aufgrund anderer Randbedingungen bleibt dafür ein mögliches Wetterfenster von Pfingstmontag bis zum darauffolgenden Mittwoch; die Tage danach stellen sich in der Langfristprognose ziemlich bald als unfliegbar heraus.

Die drei verbleibenden Tage versprechen jedoch vor allem Richtung Nord-Osten gute Bedingungen zu bringen – mit abbauender Tendenz zum Mittwoch hin. So sieht die grobe Routenplanung vor, am ersten Tag so weit wie möglich nach Nord-Osten in Richtung Berlin zu fliegen und in den beiden Folgetagen nach Möglichkeit wieder zurück nach Haus zu kommen.

Tag 1:

Vor dem Fliegen ist zunächst einmal das Packen und Beladen der Flugzeuge angesagt. Es ist doch erstaunlich, daß am Ende alles irgendwo einen Platz im Flieger findet – angefangen von (wenigen) Ersatzklamotten, über Schlafsack bis zum Zweitaktöl und Batterieladegerät. Die im Wetterbericht  versprochenen Cumulanten bleiben erst einmal aus – dafür gibt es kräftigen Ostwind. Um kurz nach 11 Uhr geht es dann los. Im Verband starten drei Eigenstarter vom heimischen Fluggelände unter der Teck: Volker mit der BD, Martin mit der CU und Michael, der uns mit der IC ein Stück begleiten will. Um wertvollen Sprit zu sparen, fahren wir die Motoren in Teckhöhe wieder ein und fliegen den Osthang an. Etwas mühselig ist dort der Anschluss aus dem Hangwind in die Blauthermik. Gegen den frischen Wind tasten wir uns dann zunächst etwas vorsichtig über die Alb bis Heidenheim, wo endlich größere Cumulus-Wolken die Thermik markieren. Unter den Wolken kommen wir dann etwas schneller Richtung Osten auf der bekannten Route über Neresheim, Rauhe Wanne nach Harburg voran. Dort werden die Wolken wieder weniger – doch die zaghaften Flusen markieren weiterhin sehr verlässlich die Aufwinde bis Kehlheim – wo dann wieder etwas mehr Feuchte in der Luft ist. Bei Regensburg trennen sich dann die Wege; Michael tritt den Heimflug an, während wir Nordkurs einschlagen. Ab Weiden in der Oberpfalz dominiert wieder blauer Himmel, nur vereinzelt zeigen sich Kondensen und Flusen. Über Marktredwitz führt der Flug Richtung Selb an die tschechische Grenze. Dort ragt ein Zipfel Tschechien in das deutsche Staatsgebiet hinein. Da es nach Norden komplett blau ist, entschließen wir uns, dieses Hindernis nicht zu umfliegen – sondern einfach Richtung Erzgebirge zu queren. Leider bringen die ersten Ausläufer des Erzgebirges nicht die erhoffte Thermik – nur schwaches Steigen ist zu zentrieren. Vorsichtig fliegen wir weiter Richtung Auerbach, wo wir uns in die Kreise einiger Platzadler einreihen, die jedoch auch nichts Besseres anzubieten haben. Nun sind Entscheidungen gefragt – entweder bei wenig vertrauenserweckenden Bedingungen weiter Richtung Dresden – oder doch eher ins Flache Richtung Zwickau oder Leipzig ? Da die Bäume immer größer werden, entscheiden wir uns für die zweite Alternative und gleiten ins flache Gelände Richtung Zwickau; kurz vor der Stadt – der große Grasplatz unmittelbar im Westen der Stadt gelegen ist schon von weitem zu sehen - lupft uns eine durchsichtige Wolke nochmal auf 1700m; nun wäre Leipzig-Altendorf erreichbar. Aufgrund positiver Erzählungen von Andi Belz und Günther Jauch von den zurückliegenden deutschen Meisterschaften in Zwickau entscheiden wir uns, dort anzufragen, ob eine Landung und ein Wiederstart am nächsten Morgen möglich wäre. Diese Anfrage wird prompt positiv beschieden – wir bauen über der Stadt die Höhe ab und landen auf der 06 bis zu den Hallen. Wie sich dann im Weiteren herausstellt, war die Entscheidung in Zwickau zu übernachten, eine sehr gute Wahl. Für sehr faire Kosten werden uns zwei saubere Zimmer mit Benutzung von Duschen und WC in einem angeschlossenen Gebäude überlassen. Schnell werden die Flieger gewaschen und aufgrund des immer noch kräftigen Ostwindes angebunden, dann geduscht und schon sind wir zu Fuss auf dem Weg in die Stadt. Nach einem leckeren Essen im Brauhaus, dem nächtlichen Rückweg, einem letzten Bier in Sichtweite zu unseren Flugzeugen und einem letzten Blick aufs morgige Wetter fallen wir müde ins Bett.    

 Tag 2:

Der erste Blick am morgen geht wieder zum Handy und der Analyse der jüngsten Wetterprognosen. Wie sollten wir am Besten wieder zurück fliegen ? Wie sehen die Vorhersagen für den Mittwoch aus, den wir ja auch noch fürs Fliegen eingeplant hatten. Auf jeden Fall wollen wir schon wieder relativ nahe an der Heimat sein, da für den Mittwoch schon die Möglichkeit von Gewittern im Süden angesagt ist. Am Vorabend hatte Martin bereits Kontakt mit seinem alten Drachenflug-Kumpel Lukas aus Bensheim an der Bergstrasse südlich des Luftraums von Frankfurt, der uns einlud, vorbei zu kommen. Diese Alternative bewerten wir dann als gar nicht so abwegig – es sieht so aus, als ob wir am Mittwoch gute Chancen hätten, von dort im Segelflug nach Hause zu kommen. Das war nun der grobe Plan für heute. Nachdem sich gegen halb elf im Erzgebirge erste Quellungen zeigten, verabschieden wir uns von Joachim Lenk, der guten Seele in Zwickau: Vorsitzender des Aeroclubs, Fluglehrer, hauptamtlicher Flugleiter und außerdem noch Vorsitzender des Landesverbandes in Sachsen – alles in Personalunion!   Unsere Zweitakter bringen uns nach dem Start an die ersten Erhebungen des Erzgebirges, welches von Süden her sehr flach ansteigt. Richtung Tschechien sieht der Himmel schon gigantisch aus – für uns aber in Zeiten von Corona leider tabu. So entschließen wir uns zunächst noch ein Stück in dem uns bislang unbekannten Gelände zum Sightseeing nach Osten zu fliegen, bevor wir in Richtung Heimat drehen. Die Thermik ist noch nicht so richtig zuverlässig – dennoch fliegen wir an Klingental vorbei Richtung Fichtelberg und Oberwiesental. An der nächsten Wolke weiter Richtung Osten drehen wir dann um und fliegen mit etwas mehr Abstand zur Grenze wieder in Richtung Westen.  Wie gestern queren wir wieder den tschechischen Gebiets-Fortsatz im Gleitflug – und dann geht erst einmal die Post ab. Am Himmel reihen sich die Cumuluswolken in rund 2500m – darunter Steigwerte um die 3 m/s. Das ist zu schade, als daß wir gleich Richtung Westen fliegen wollten. Deshalb folgen wir dem Hammerwetter über die Operpfalz nach Süden bis kurz vor Cham und wenden dort. Nun peilen wir den schmalen Korridor zwischen dem Luftraum des Nürnberger Flughafens und dem Sperrgebiet um den Truppenübungsplatz Grafenwöhr an. In diesem schlängeln wir uns Richtung Nord-Westen durch, bis wir bei Pegnitz direkten Kurs auf unser Ziel nehmen können, welches noch über 200 km entfernt ist. Der Ausblick in diese Richtung ist allerdings nicht so berauschend. Nach den letzten Wolken bei Burg Feuerstein und dann bei Bamberg, die uns nochmals auf 2300m heben, gleiten wir ins Blaue. Doch auch dort finden wir immer wieder einen Bart – meist deutlich schwächer als in den Stunden zuvor und auch nicht mehr so hoch reichend; aber wir kommen weiter voran. Ab dem Taubertal baut sich der Odenwald als letztes Hindernis vor unserem Ziel auf. Kurz vor Mainbullau gibt’s noch ein paar Höhenmeter, aber die Navigationssysteme zeigen den Gleitpfad noch nicht im positiven Bereich. Beim kleinen Fluggelände Vielbrunn zündet Volker in 400m über Grund den Motor und holt sich die letzten Meter für den Endanflug mit Motor – Martin purzelt etwas daneben an der sonnenbeschienen Westkante noch in einen schwachen Aufwind – und holt sich so die erforderliche Endanflughöhe. In Bensheim werden wir am Boden bereits von Lukas mit zwei leckeren Bier erwartet. Der Abend endet nach einem Essen im Biergarten und einem letzten Bier auf dem Sofa von Lukas in dessen kleinem Häuschen.

 

Tag 3:

Der erste Blick am Morgen aus dem Fenster trübt die Laune erst einmal. Dichte hohe Bewölkung verschleiert die Sonne. Auch der zweite Blick auf die Wetterprognosen trägt nicht zu deren Steigerung bei. Die Vorhersagen haben sich deutlich nach unten gedreht. So soll um Stuttgart und auf der Alb schon relativ früh mit Gewittern zu rechnen sein. Im flacheren Gelände soll sich Thermik entwickeln, die dann schnell zu hohen Wolken und zu Überentwicklungen führen soll. Was tun ? Möglichst bald – und mit Unterstützung der Motoren Richtung Heimat fliegen, um vor den Gewittern zu Hause zu sein ? Oder zu pokern, bis die Thermik im Rheintal und Odenwald einsetzt und versuchen thermisch nach Hause zu fliegen – mit der Gefahr, daß uns die Gewitter den Weg zur Teck abschneiden ? Nach einem leckeren Frühstückskaffee bei Lukas machen wir uns auf den Weg zum Flugplatz. Ein letztes Mal räumen wir unser Gepäck in die Flieger. Diese stehen noch genau so, wie wir gestern ausgerollt sind.  Wir drehen sie um 180° in Startrichtung – und schauen an den Himmel. Schon um 9 Uhr zeigen sich Richtung Mannheim erste Entwicklungen im Rheintal – die eigentlich so aussehen, als ob sie von thermischen Aufwinden gespeist würden. Nach einigem hin- und her entschließen wir uns gegen 10 Uhr zum Start. Wir verlassen Bensheim auf der 32 und drehen schnell Richtung Süden. In knapp 1000 m über Grund versenken wir die Motoren und fliegen Richtung Wolken. Es ist ruhig wie in der Kirche – keine Böe, kein Zucken unter den Wolken – einfach gar nichts. Schnell ist die Höhe verbraucht und wir bemühen unsere Motoren noch einmal – und noch ein weiteres Mal bei Sinsheim, wo es wieder völlig blau wird. Schon von weitem kann man über dem Kraftwerk von Neckarwestheim erkennen, wie Kondensen nach oben gerissen werden – und darüber bildet sich immer wieder ein kleines Wölkchen. Also wollen wir einmal testen, was die Atomkraft so hergibt. Um das Kraftwerk gibt es ein kleines Sperrgebiet bis 2900 ft MSL. In 3500 ft steigen wir ein – zu einem heißen Ritt. Mit sonst unbekannten Turbulenzen und Böen reißt es die Flugzeuge nach oben – und wenn man nicht eng genug kreist und somit aus dem Aufwindfeld wieder herausfällt auch wieder nach unten. Nach oben wird es etwas ruhiger und endet bei knapp 2000 m MSL. Aus dieser Höhe hätten wir bei direktem Gleitflug zur Teck rund 500m Reserve – doch leider steht uns der Luftraum D um den Flughafen Stuttgart im Weg. Kurzentschlossen schalten wir die Transponder ein, rasten die Frequenz der FIS in Langen und fragen nach einer Freigabe zum Durchflug; aufgrund des durch Corona sehr eingeschränkten Flugbetriebs sollte das doch machbar sein. Und tatsächlich: trotz ein paar Missverständnissen und Wiederholungen im Funk – wir machen das eben nicht jeden Tag – werden wir an Stuttgart Radar weitergereicht und erhalten von einer nachsichtigen Controllerin die Freigabe zum Einflug in den Luftraum, der für uns üblicherweise eine Tabuzone ist. So rollen wir bereits zur Mittagszeit – und rund eine Stunde vor den ersten Regentropfen - nach drei sehr erlebnisreichen Tagen und rund 1100 quer durch Süd- und Mitteldeutschland geflogenen Kilometern vor der Halle in Dettingen aus.

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